Weekend Magazin Salzburg 2024 KW35
LEBENSART
BUCHTIPPS
Viele Rezepte von Johanna Raudaschl entstammen dem bäuerlichen Umfeld. Sie kam aber auch mit der gehobenen Küche gut zurecht und war eine hervor ragende Mehlspei senköchin.
Die Schulschwestern der Salzburger Ursu linen sammelten ihre Rezepte – vor allem für die vielen Feier- und Fasttage. Sie scheinen süße Lecke reien besonders ge liebt zu haben.
Von der Amsel bis zum Zander
Zuckher vnd Zimmet Darun ter, schneid sembl schnidl streich dises Gehäckt Darauf vnd bachs in den schmalz…“ Schockierend liest sich übri gens die Zubereitung eines Schildkröten-Ragouts. Es wird empfohlen, dem leben den Tier glühende Kohlen auf den Panzer zu legen, damit es Kopf und Beine ausfährt, um diese dann abzuhacken. Von wegen eintönig … Die Ursulinen waren im Zuge der Gegenreformation 1695 in Salzburg angesiedelt wor den, um die weibliche Jugend der höheren Stände zu unter richten. Meist waren diese Schulschwestern adeliger Herkunft und so brachten sie ihre Kenntnisse der gehobe nen Kochkunst (die damals mitnichten als Kunst, sondern als niedrige Tätigkeit galt) in die Klostergemeinschaft mit ein. Auffällig ist der Einfalls reichtum der Gerichte und die vielen unterschiedlichen Herkunftsbezeichnungen wie „Lintzer Dorten“, „Welsches Sippel“, „Bömische Golat schen“ oder „Copenhagen sche Putter Torten“, die auf rege länderübergreifende Korrespondenz unter gebilde ten Klosterfrauen schließen lassen.
17. Jahrhundert. Für die heu tige Zeit aufbereitet (d. h. in zeitgenössisches Hoch deutsch übersetzt und mit brauchbaren Mengenanga ben versehen) ist es unter dem Titel „Barocke Koch
wurst“. Sehr modern wirken Nachspeisen wie Weincreme, Quittentarte, Zimtlebzelten oder englische Topfentorte. Unverzichtbar für die Umset zung der Rezepte sind Zitro nen, (Rüben-)Zucker, Kar
Artenschutz war in früheren Jahrhunderten kein Thema, aus den historischen Rezept sammlungen zwischen dem 16. und dem 20. Jahrhundert ist dies klar ersichtlich. Ver speist wurde alles, was da kreuchte und fleuchte. Dafür galten Gepflogenheiten, die heute wieder hoch angesehen sind. Obst und Gemüse aß man gezwungenermaßen sai sonal und regional. Lebens mittel, die von weit her im portiert werden mussten, wie etwa Zitronen oder Meeres tiere, waren dementspre chend teuer und kamen nur selten auf den Tisch. Allge mein landete Fleisch eher nur in den Kochtöpfen der Begü terten. Die Ärmeren konnten es sich gar nicht leisten, ihre Hühner, die sie mit Eiern ver sorgten, oder die Kuh, die ih nen Milch gab, zu schlachten. Wild war wegen des Jagdpri vilegs der Grundherren so wieso meistens den Aristo kraten vorbehalten. Zucker galt als Gewürz Aber wenn man in noblen Häusern auftischte, dann or dentlich – davon zeugt etwa das „Adelskochbuch der Ma ria Clara Dückher“ aus dem
Kochbücher und Rezepte wurden gern geschrieben und ausgetauscht. Heute sind sie eine hochwillkommen Quelle für Kulturwissenschaftler.
kunst heute“ im Pustet-Ver lag erschienen. Franziskus Dückher von Hasslau zu Ur stein und Winckl war Ober forstmeister und Kammer herr des Fürsterzbischofs Guidobald von Thun. Seine Gattin Maria Clara, geborene Spindlerin, führte einen gro ßen Haushalt mit zahlreichen Bediensteten und schrieb ihre Rezeptsammlung für die gehobenen Stände ab dem Jahr 1645 nieder. Die Rezep te zum Nachkochen für heu tige Genießer sind nach Jah reszeiten gegliedert und er öffnen neue-alte Ge schmackswelten in Gestalt von „Allamoda-Salat“, „polni scher Suppe“, „Kandlmilch“, „Flusskrebs-Omelette“, „Krebsenpastete“ oder „Eier
damom, Muskatblüte, Zimt und Nelken, damals sündteu re „Spezereyen“, heute Aller weltszutaten. Wenn Nonnen kochen Einige Jahrzehnte später, im Jahr 1716, hatten Salzburger Schulschwestern die Nieder schrift einer umfangreichen Rezeptsammlung abgeschlos sen. Als „Kochbuch der Ursu linen“ ist es mit 560 Rezepten heute in einer Ausgabe des Mandelbaum Verlags erhält lich – in Sprache und Ortho grafie der damaligen Zeit. Die Zubereitung von „Weixl Pafe ßen“ (Weichselpofesen) liest sich dann so: “Siedt Die Weixl in Wasser Das schen lindt seindt, Fiehls Aus, vnd hackhs Clein, Dan so Mische
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