CHEFINFO 07_2024 September

8,6

COVERSTORY

COVERSTORY

Prozent der 18- bis 24-Jährigen in Österreich haben keinen Schul- oder Lehrabschluss (EU: 9,8 %).

„Wir vergeuden Talente“

mir leisten kann, an einem anderen Ort zu studieren.“ Für Schauberger ist dieser Ortswechsel Teil der Persön lichkeitsentwicklung. „Von zu Hause weg zu sein und sein Leben selbst zu organisieren ist eine unschätzba re Erfahrung. Man muss sich sein Leben und seine Ausbildung orga nisieren. Man ist selbstverantwort lich.“ Daher ist es für Schauberger in einer digitalen Gesellschaft geradezu anachronistisch, dass Studien heute immer verschulter werden. „Selbstor ganisation tritt in den Hintergrund. Dazu kommt, dass man bei zu wenig Anwesenheit oder zu wenigen ECTS Punkten schnell ein Semester verliert.“ Wie ein perfektes Bildungssystem vom Kleinkind bis zum jungen Erwachse nen aussieht, ist seit Maria Theresia ein ewiger Streitpunkt. Fakt ist, es muss immer in Bewegung bleiben – und das ist es, seit 250 Jahren. n

die IT:U einmal im Vollbetrieb 5.000 bis 9.000 Studierende zählt und nur 10 Prozent davon einen Studenten heimplatz brauchen, benötigen wir 500 bis 900 neue Wohneinheiten.“ Derzeit hält die WIST OÖ in ihren Häusern rund 1.100 Plätze für Studie rende bereit. High-Potentials halten Wohnen wird für den Finanz- und Wirtschaftsexperten zur Wissens standortfrage und damit zur Frage, wie man hochqualifizierte Absolven ten und Lehrpersonal im Land hal ten kann. „In meiner tagtäglichen Arbeit als Berater für KMU habe ich die Hand am Puls der Wirtschaft und kenne die brennendsten Themen. Jede wirtschaftliche Entwicklung schlägt zu meinen Kunden durch. Wenn wir den Standort sichern wollen, dann brauchen wir High-Potentials. Wirt schafts- und Wissensstandort bedin gen einander.“ Der Schlüssel dazu sei passender, mit den Bedürfnissen und der Nachfrage dieser High-Potenti als, mitwachsender Wohnraum. Das verlangt auch Wachstum seitens der WIST. Das „Haus Barbara“ der WIST wird daher zum Leuchtturmprojekt. Gemeinsam mit Projektpartner LINZ AG entsteht eine riesige PV-Fassade mit einer Leistung von 327 kWp und einer Gesamtjahresleistung von etwa 280.000 kWh. „Die Fassade dämmt und senkt die Heizkosten, gleichzeitig sinkt der Strompreis. Diese Einsparun gen wollen wir unseren Mietern wie der solidarisch zukommen lassen.“ Mit der „WIST-Strategie 2030“ sieht sich Schauberger „bereit für die Zukunft“. Selbstorganisation Leistbares Wohnen ist für den Managementberater daher mehr denn je zur Karrierefrage geworden. Rund 56 Prozent aller Studierenden müs

sen in Österreich nebenbei arbeiten, um sich ihre Ausbildung leisten zu können – der höchste Wert in den OECD-Ländern. „In den 1970er-Jah ren gelang es, dass auch Kinder aus ärmeren Familien studieren konnten. Heute geht es oft darum, ob ich es

INTERVIEW. Manfred Schauberger ist Unternehmensberater und Vorstand des Studierendenträgers WIST. Schauberger über Herausforderungen, Visionen und Reformen rund um das Thema Bildung.

Wenn wir den Standort sichern wollen, dann brauchen wir High Potentials. Wirtschafts- und Wis sensstandort bedingen einander.

C HEFINFO: Sie sind Unter nehmensberater. Aus der Sicht des Unternehmens beraters: Was braucht das Bildungs system? Manfred Schauberger: Ich gehe davon aus, dass die überwiegende Anzahl der Beteiligten nur das Beste will. Wir sehen aber, dass man andere Wege gehen muss. Aus meiner externen Beratersicht und dem Feedback, das ich von meinen Kunden aus der Wirt schaft bekomme, braucht es zuerst den Blick auf den Arbeitsmarkt. Ich bin Jahrgang 1963, komme also aus der Babyboomer-Generation. In unserer Zeit war es nicht nur gut, dass Arbei terkinder studieren durften. Sie waren vor allem einmal weg vom Arbeits markt und haben diesen nicht belastet. Jetzt ist das komplett anders. Die Zahl der Schüler in den höher- und weiter bildenden Schulen wird immer höher, während unsere Wirtschaft dringend geschickte Leute bräuchte, die eine Lehre absolvieren. Rund die Hälfte aller Kinder in unseren höher- und weiterbildenden Schulen benötigen private Nachhilfe. Das schafft Frus tration: Frustrierte Schüler, Eltern und

ich in einer Mannschaft drei von zehn Menschen habe, die kein Talent besit zen, zieht das die gesamte Gruppe run ter, weil man viel Zeit in diese drei investiert, und das frustriert alle. Global betrachtet hat Österreich eines der teuersten Bildungssys teme. Wie können wir das System wieder effizienter machen? Schauberger: Ich glaube nicht, dass das eine Frage des Geldes ist. Es ist eher eine Frage der Organisation. Wir müs sen die Durchlässigkeit erhöhen und die Ströme besser lenken. Das würde einige Effekte haben und eine Verbesserung herbeiführen. Wir sollten die jeweils beste Ausbildung für jeden finden und nicht bloß Lehrpläne erfüllen, welche die Schüler nicht dort abholen, wo sie gerade stehen. Dazu würde ich den Leh rern mehr Freiheiten beim Unterrich ten geben. Sie brauchen mehr Rückhalt. Das ist keine von innen fundierte Ana lyse, sondern nur meine externe Beob achtung, die mir auch von meinen Kun den aus der Wirtschaft zurückgespiegelt wird. Generell glaube ich aber nicht, dass unser Schulsystem so schlecht ist, wie man es oft macht.

Lehrer. Die größte Bildungsreform aus meiner – und aus Sicht vieler meiner Kunden – wäre es, wenn Lehrlinge – egal welchen Beruf sie lernen – bei sehr guten Leistungen später studie ren gehen könnten. Vielen geht erst später der Knopf auf und sie brauchen ein wenig länger, um zu reifen. Wir vergeuden daher Talente, die in wei terbildenden Schulen Plätze versitzen,

Manfred Schauberger Unternehmensberater und WIST-Vorstand

Der Wissensstandort Oberöster reich bekommt mit der IT:U einen neuen „Leuchtturm“. Dennoch hinkt die Infrastruktur wie stu dentischer Wohnraum hinterher.

Die größte Bildungsreform aus meiner Sicht wäre es, wenn Lehr linge – egal welchen Beruf sie lernen – bei sehr guten Leistun gen später studieren gehen.

Manfred Schauberger Unternehmensberater und WIST-Vorstand

anstatt auf eigenen Beinen zu stehen. Das alles verlangt nach einem Para digmenwechsel. Wir brauchen mehr junge Menschen, die einen Beruf erler nen mit mehr Durchlässigkeit in Rich tung eines späteren Studiums. In der Schule ist das wie im Sport. Wenn

FOTO: KRONAUS MITTERER ARCHITEKTEN

FOTO: HERMANN WAKOLBINGER

24 | CHEFINFO | 7/2024

7/2024 | CHEFINFO | 25

Made with FlippingBook Digital Publishing Software