CHEFINFO 07_2024 September

COVERSTORY

COVERSTORY

Bildung kostet Geld. Auch wenn 1972 Studiengebühren abgeschafft und das System für alle geöffnet wurden, müssen 56 Prozent aller Studieren den in Österreich nebenbei arbeiten.

INTERVIEW. Theresa Ganhör leitet den Businesszweig des BG WRG Körnerstraße. Warum sie für ein neues Fach „Finanz- bildung“ plädiert und man neue Fächer offen diskutieren sollte. „Hin zum Hands on-Unterricht“

C HEFINFO: Immer mehr jun ge Menschen verschulden sich. Kann das von Ihnen geforderte Unterrichtsfach „Finanz bildung“ dem entgegenwirken? Theresa Ganhör: Davon bin ich überzeugt. Wenn man sich die Zah len anschaut, sprechen diese nämlich eine sehr deutliche Sprache: 192 Men schen unter 24 mussten im Jahr 2023 Privatinsolvenz anmelden. Das sind 22 Prozent mehr als noch im Jahr davor, wie der AKV in seiner jährli chen Insolvenzstatistik veröffentlichte. Bei jungen Frauen betrug der Anstieg sogar 45 Prozent und auch die Ver schuldungshöhe ist um ganze 41 Pro zent gestiegen: Diese ist von durch schnittlich 35.700 Euro Schulden auf 50.500 Euro im Jahr 2023 gestie gen. Jeder fünfte 14- bis 20-Jährige in Österreich hat keinen Überblick, wie viel Geld er oder sie in einem Monat ausgibt. Gleichzeitig gibt fast die Hälf te der jungen Menschen an, sich eher nicht oder gar nicht mit den Themen Geld und Finanzen auszukennen. For schungsergebnisse zeigen auch, dass der Umgang mit Geld hauptsächlich im familiären Umfeld gelernt wird. Wenn schlechte Voraussetzungen gegeben sind, so entsteht auch beim kompetenten Umgang mit Geld Chan cenungleichheit, der wir in der Schule entgegensteuern wollen.

Welche Inhalte bzw. welche Form wünschen Sie sich für ein solches Fach? Ganhör: Ziel ist es, in diesem Fach Kin der und Jugendliche bestmöglich für die Zukunft vorzubereiten und wertvolle Tools mitzugeben. Neue, innovative Fächer schaffen die Möglichkeit, Schule in ein neues Licht zu rücken. Weg vom Unterricht nur in der Schule und hin zum Hands-on-Unterricht. Gehen wir

anlagung. Ich selbst zeige meinen Lohn zettel her und wir schauen, wohin das Geld geht, warum wir Steuern zahlen, wofür unser Budget verwendet wird und, noch viel wichtiger, wie man selbst mit Geld umgeht. Man muss mit der Finanz bildung schon viel früher anfangen. Ich ermutige alle Eltern, Taschengeld schon ab der Volksschule herzugeben und mit den Kindern zu besprechen, was es heißt, Geld zu verdienen, und vor allem wie lange man arbeiten muss, um sich etwas zu erarbeiten oder kaufen zu können. Oft wird über die Abschaffung von Schulfächern zugunsten anderer diskutiert, etwa Coding statt Latein, oder generellen Ethikunterricht. Ist die Schule in der Wissensgesell schaft angekommen? Ganhör: Wir müssen offen und ehr lich diskutieren, welche Inhalte wir mit geben wollen. Die soziale und ethni sche Struktur in unseren Schulen hat sich verändert. Es ist nicht alles schlecht in unserem System, allerdings wäre es schön, wenn wir zu einem System fin den, wo Schüler gefördert werden und Kurse nach ihren Stärken besuchen könnten. Bildung ermöglicht Kindern und Jugendlichen eine gute Grundla ge für ein schönes und aussichtsreiches Leben, wo sie sich selbst Meinungen bilden können, kritisch hinterfragen und Inhalte vernetzen können.

Kreisky schaffte 1972 die Studienge bühren ab. Die Zahl der Studierenden in Österreich verdoppelte sich zwi schen 1969/70 und 1978/79 auf über 100.000. Heute sind 390.000 Studie rende an Unis, Fachhochschulen und Akademien inskribiert. Damit stieg auch der Bedarf an Wohnraum. Man fred Schauberger hat als Unterneh mensberater das Ohr an der Wirt schaft und kennt die Ansprüche der Unternehmen an das Bildungssystem. Er ist aber auch WIST-Vorstand und hat einen etwas anderen Zugang zum universitären bzw. Hochschulbetrieb. „Mit den Fachhochschulen und der neuen IT:U ist Oberösterreichs akade mische Bildungslandschaft in den letz ten Jahrzehnten stark gewachsen. Die Infrastruktur rundherum hinkt die sen Ansprüchen allerdings hinterher.“ Der Studierendenträger WIST stellt Studierenden seit 1960 Wohnraum zu leistungsgerechten Preisen zur Verfü gung. Wohnraum, der künftig drin gend nötig sein könnte. „Wenn Ô

Marokko. Fatima al-Fihri war deren Stifterin. Ihr ganzes Erbe floss in die Al-Qarawiyyin-Universität. Der heute noch für Universitäten gebräuch liche Name „Alma Mater“ – „Die nährende Mutter“ – geht auf al-Fihri zurück. Universitäten blieben jahr hundertelang ein Ort der Privile gierten, des Adels und des Klerus – und der Männer. Erst 1897 durften Frauen in Österreich studieren. Ein

bildung“. „Finanz- und Wirtschafts bildung ist essenziell, um fundierte finanzielle und gesellschaftliche Ent scheidungen zu treffen. Dabei geht es nicht nur um Theorie, sondern es soll junge Menschen befähigen, Gelern tes im täglichen Leben anzuwenden und bestmöglich für die Zukunft vor zubereiten.“ Um diese Themen inter essant und praxisnahe zu vermitteln, wünscht sich Ganhör mehr Zusam menarbeit mit der Wirtschaft und den Betrieben. Wirtschaft-Wissen- Wohnen

Jeder fünfte 14- bis 20-Jährige in Österreich hat keinen Über blick, wie viel Geld er oder sie in einem Monat ausgibt.

Theresa Ganhör Gemeinderätin und Lehrerin

raus, besuchen wir Unternehmen, Ban ken und vieles mehr – machen wir Wirt schaft und das Leben greifbar. In der Finanzbildung sollen die unterschiedli chen Rollen der alltäglichen Welt wie Konsument, Arbeitgeber oder -nehmer, Steuerzahler, wählende Menschen ein genommen werden und verständlich gemacht werden, um dann die Schüler zu kritischen, mündigen, selbstständi gen und verantwortlichen jungen Men schen zu erziehen. Themen wie Steuern, Lohnzettel, Unternehmertum und Ver

Finanz- und Wirtschaftsbildung ist essenziell, um fundierte finanzielle und gesellschaftliche Entscheidungen zu treffen.

Lange bevor die Schul pflicht eingeführt wur de, gab es Universitä ten. 1365 die erste in Österreich –

Theresa Ganhör Gemeinderätin und Lehrerin

die Universi tät Wien. Die erste ihrer Art weltweit ent stand 859 in

Studium, das viel Geld kostete und den bürgerlichen Eliten vorbehalten war. Das änderte sich erst in der Ära Kreisky.

FOTO: ANTJE WOLM FOTOS: ANTJE WOLM, SKYNESHER / E+ / GETTY IMAGES

7/2024 | CHEFINFO | 23

Made with FlippingBook Digital Publishing Software