Weekend Magazin Wien 2025 KW45
LEBENSART
SHORT TALK
Wird KI in der Therapie künftig eine größere Rolle spielen? In gewisser Weise schon. Aber als Begleitung, nicht als Ersatz. Etwa zur Selbstreflexion oder als digitales Tagebuch zwischen Therapiesitzungen. „KI kann nicht fühlen“ Weil es unsere Sprache perfekt spiegelt. Es macht Pausen, nutzt Füllwörter, schickt Emojis – das wirkt vertraut. Wir Menschen fül len den Rest selbst mit Emotion auf. Könnte KI irgendwann wirklich fühlen? Nein. KI kann Gefühle berech nen, aber nicht erleben. Und ge nau das ist der Punkt – sie wirkt echt, aber sie ist es nicht. Ihr Wunsch für die Zukunft? Mehr digitale Bildung. Wenn Menschen verstehen, wie KI funktioniert, können sie sie nutzen, ohne sich ihr Warum wirkt ChatGPT so empathisch?
Eine KI analysiert Worte, eine Paartherapeutin spürt Emotionen und versteht auch, was zwischen den Zeilen steht.
schen oder gewalttätigen Beziehung steckt, kann ein KI-Ratschlag à la ‚setz dich mit deinem Partner zusammen‘ fatal sein,“ warnt Mara. Dazu kommt das The ma Datenschutz. „Systeme, die kostenlos sind, sind nicht umsonst. Man sollte sich genau überlegen, welche persönlichen In fos man teilt.“ Das richtige Maß Beide Expertinnen sehen in der künstli chen Intelligenz Chancen, wenn sie be wusst und ergänzend eingesetzt wird. „Gerade wenn man keinen Therapieplatz bekommt, kann eine seriöse KI-App eine erste Hilfe sein“, so Mara. Pall stimmt zu: „Wenn Paare ChatGPT als Werkzeug nut zen, um besser zu kommunizieren, ist nichts dagegen einzuwenden. So lange sie wissen: Für Herz und Psyche bleibt der Mensch unersetzlich.“ V
Phänomen „Anthropomorphismus“ – wir Menschen neigen dazu, Maschinen Menschlichkeit zuzuschreiben, erklärt Mara: „Wer sich einsam fühlt oder wenig über KI weiß, nimmt sie besonders schnell als empathisches Gegenüber wahr.“ Dass ChatGPT inzwischen sogar Füllwörter, Pausen und Emojis simuliert, verstärkt den Eindruck eines echten Ge sprächspartners. Für Mara ist das Ent scheidende die „KI-Kompetenz“: „Das Wissen darüber, wie solche Systeme ar beiten, schützt uns davor, sie zu ver menschlichen.“ „Er versteht mich!“ Viele Nutzer nennen ChatGPT inzwi schen liebevoll „er“. Béa Pall, Paarthera peutin und Präsidiumsmitglied des Ös terreichischen Bundesverbands für Psy chotherapie (ÖBVP), beobachtet das mit Sorge: „Ich hatte eine Klientin, die sagte: ‚Er hat mir geholfen, mei ne Beziehung zu verstehen‘ – und meinte damit die KI“, erzählt sie. „Das Problem ist: KI reagiert auf
auszuliefern. Dann wird sie zu einem Werkzeug – nicht zum Ersatz für echte Nähe.
Wörter, nicht auf Emotionen. In einer echten Paartherapie sehe ich, wie jemand reagiert, ob die Stimme zittert oder die Augen sich mit Tränen füllen.“ Risiken und Nebenwirkungen Was gefährlich werden kann: KI gibt pauschale Tipps, ohne Hintergründe zu kennen. „Wenn jemand in einer toxi
Martina Mara, Professorin für Psychologie der KI & Robotik und Leiterin des Robopsychology Labs am Linz Institute of Technology der Johannes Kepler Universität Linz
„In Paarbeziehungen spielt oft die eigene Kind heit eine Rolle. KI kommt auf den Gedanken nicht.“
Béa Pall, Paartherapeutin und Präsidiumsmitglied des ÖBVP
FOTOS: PAUL KRANZLER, RICARDO GSTREIN, PROSTOCK-STUDIO/ISTOCK/GETTY IMAGES
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