Weekend Style 2024 KW 39
WURST Es geht um die
Streetfood. Die „Budeln“ prägen das Stadtbild und sollen auch im Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes einen fixen Platz finden. Würstelstand-Ikone Sepp Bitzin ger treibt die Legendenbildung voran – mit Qualitätsschmankerln nebst Schampus.
VON RUDOLF GRÜNER
F risch aus dem Kessel oder fein gebrutzelt von der Platte: Das ureigene Wie ner Streetfood ist auch für viele Feinschmecker ein nicht wegzudenkendes kulinarisch-ar chaisches Frischlufterlebnis. Der Straßen-Schmaus soll jetzt sogar als UNESCO-Kulturerbe eine feine Duftspur in der „Wurst-Weltstadt“ hinterlassen. Für Gastronom Josef Bitzinger, der den berühmten Stand bei der Albertina betreibt, ist die Auszeichnung „längst überfällig“. Allein schon wegen der sozialen Komponente: „Wo steht schon der Herr Generaldirektor neben dem einfachen Arbeiter?“ Hier kommen sich Promis und Normalos nahe – und sind sich einig, so der Experte: „Der Blockbuster an der Budel ist und bleibt die Käsekrainer.“ Damit hat sich die relativ junge Wurst, die man gerade mal seit 50 Jahren isst, als Dauerbrenner durchgesetzt. Wel che Geschichten die „heiße Ware“ noch hergibt? Bitzinger hat für uns den Grill angeworfen. Viel Feuer. „Trotz Kebab & Co.: Das große Würstelstand-Sterben, das in den 70er-Jahren eingesetzt hat, ist Gott sei Dank vorbei. Heute lassen sich wieder Wiener, Expats und Touristen unsere Schmankerl auf der Zunge zergehen. Auch von den Kollegen höre ich keine Klagen.
Signature-Wurst. Auch wenn ich sie liebend gerne esse: Unsere ,alte‘ Debrecziner war schon längere Zeit ein Auslaufmodel. Ein Koch aus Ungarn hat mir dann das ungari sche Original, übrigens ein sehr di ckes Kaliber, aufgetischt. Wir haben daraufhin an einer neuen Wiener Variante gebastelt: Herausgekom men ist die ,Sepp-Reziner‘. Ihr fei nes, leicht scharfes und würziges Brät hat nicht nur mich überzeugt. Fleischlos. Wir haben uns natür lich mit Ersatzprodukten auseinan dergesetzt. Am Ende des Tages hat
allerdings alles nicht funktioniert: weder bei der Qualität – Stich wort: Saftigkeit! – noch beim Um satz. Unsere Alternativen sind die altbekannten Kartoffeltaschen mit Topfenfülle. Und der Klassiker schlechthin: Pommes rot-weiß! Schluckerl de luxe. Meine Familie ist seit 200 Jahren im Gastronomie geschäft: Die Liebe zu Wein und Champagner liegt mir also im Blut. Die erste prickelnde Flasche habe ich dann vor 15 Jahren an der Budel entkorkt. Meiner Meinung nach ist ein prickelnder Piccolo der ideale Begleiter zur Käsekrainer! Und viele verliebte Paare, die was zu feiern haben, geben mir sicherlich recht. Budel-Besuch. Unsere Kund schaft ist so bunt wie die Stadt selbst – und weiblicher als mancher glaubt. An der Budel herrscht ,hal be-halbe‘. Was sich verändert hat, sind die ,Mahl-Zeiten‘: Wir starten mit dem Frühstücksgeschäft, auch über Mittag bis in den Nachmittag hinein ist viel los. Spitzen gibt es nach Büroschluss und vor Opern aufführungen. Nach elf Uhr abends ist der große Hunger meist vorbei. Qualität. Wir haben Jahrzehnte am Feintuning gearbeitet: Unsere Wurst ist heute ein ausgezeichne tes, hochoptimiertes Produkt.“ v
Für vegane Wurstersatz- produkte sehe ich überhaupt keine Notwendigkeit. l
Josef Bitzinger Würstelstand-Ikone
FOTOS: ALEXANDER FELTEN
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