Weekend Magazin Wien Blickpunkt Wien und Umgebung 2025 KW16
WIEN INSIDE
CHRISTOPH NEUMAYER
Schwierig, aber nicht hoffnungslos STANDORT ÖSTERREICH. Unsere Industrie steht vor großen Herausforderungen. Lohnstückkosten, Bürokratie und Energiepreise belasten die Unternehmen. Der Generalsekretär der Industriellenver einigung sieht dennoch nicht schwarz – Kurskorrekturen vorausgesetzt. Von Andrea Schröder
J eder Tag beginnt derzeit mit News aus den USA. Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der US-Han delspolitik auf Österreich? Neumayer: Die Vereinigten Staaten sind ein wichtiger Exportmarkt für Öster reich. Die Zollankündigungen werden, trotz Verhandlungen, massive Auswir kungen haben. Österreich ist als Export land ohnehin schon in einer schwierigen konjunkturellen Situation und hat nur wenige Wachstumsbranchen. Es könnte Österreich leider wieder in die Rezes sion führen. Die Stimmung in der Wirtschaft ist schlecht. Was muss ein Standort sanierungspaket enthalten, um die Laune zu verbessern? Neumayer: Es braucht drei Dinge. Ers tens: Etwas auf der Kostenseite tun, etwa bei den Lohnstückkosten, damit sich Unternehmen Mitarbeiter wieder leisten können. Zweitens: Signale an die energieintensive Industrie, dass die Energiepreise in einem gewissen Rah men bleiben, da Österreich ein Hoch steuerland und Hochlohnland ist. Drit tens: Unternehmer von der enormen Bürokratielast befreien, die viele Vorga ben aus Europa und Verschärfungen auf nationaler Ebene mit sich bringen.
„Es braucht den Blick auf die Realität statt Ideologie, um die Probleme gemeinsam anzugehen.“ Christoph Neumayer fordert freie Sicht statt Scheuklappen. Selbst die Regierung findet keine lobenden Worte für die Bürokratie. Wie bauen wir sie endlich ab? Neumayer: Jedes Ministerium muss sich den Verwaltungsaufwand genau anse hen und transparent machen, was ver einfacht werden kann. Dafür braucht es die Verantwortlichkeit und Handlungs spielraum des Staatssekretärs für De regulierung, um aktiv zu werden. Auch die Aufgabenverteilung im Föderalis mus muss geklärt werden, da hier viel Potenzial für Vereinfachung liegt. Wie steht Österreich bei Forschung, Innovation und Digitalisierung im internationalen Vergleich da? Neumayer: Österreich ist gut aufge stellt, etwa mit der Forschungsprä mie als wichtigem Standortvor teil. Wichtig ist, dass wir an den europäischen Programmen op-
timal partizipieren können und Start-ups sowie den Mittelstand bei der Digita lisierung unterstützen, damit diese Zu kunftsfelder weiter gestärkt werden. Was macht Ihnen Hoffnung? Neumayer: Die gut gemanagten Unter nehmen in Österreich, Deutschland und Europa, die trotz aller Herausforderun gen erfolgreich sind. Und die Hoffnung, dass Europa die Kurve kratzt und realis tische, pragmatische Lösungen findet, die von den Menschen mitgetragen wer den können. V
FOTOS: ALEX FELTEN
Weichen stellen. Christoph Neumayer studierte u. a. Geschichte und war in verschiedenen Positionen beim ORF und in der Jungen Industrie tätig. 2011 übernahm der Wiener (58) die Rolle des Generalsekretärs der Industriellenvereinigung (IV). Sein Ziel: die Vernetzung von Politik, Wirtschaft und Industrie sowie Wissenschaft.
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