Weekend Magazin Tirol 2024 KW38

TIROL INSIDE

NATIONALRATSWAHLEN Das Rennen um die Wählerschaft

WAHLKAMPF UNTER DER LUPE. Der Nationalratswahlkampf nimmt Fahrt auf. Wie schätzt der Innsbrucker Politologe Marcelo Jenny die Chancen ein? Was ist an diesem Wahlkampf bemerkens wert? Und welche Rolle spielen Wahlkarten? Die Politik am Prüfstand. Von Alexandra Nagiller

W ie schätzen Sie den bisherigen Wahlkampf ein? Jenny: Bis dato war er etwas gedämpft, wohl auch wegen der Ferienzeit. Die Dynamik hängt aber primär nicht vom Abstand zum Wahltag ab, sonder vielmehr davon, ob Themen greifen und etwas Schlagzeilen produziert. Wie gehen die Parteien mit der Unzufriedenheit mit der Politik um? Jenny: Viele reden über laten te Unzufriedenheit. Selbst die Regierungsparteien sind offen unzufrieden mit dem Partner. Koalition ist ein ständiger Kompromiss, das ist für die Anhänger oft schwer zu schlucken. Wobei der Anteil der Stammwähler ja generell immer mehr sinkt. Jenny: Der Wählermarkt ist volatil, das stimmt – wobei viele schon ihre Ideologie ha ben und nur etwas nach links oder rechts wechseln. Was aber extrem schwierig gewor den ist: die Wähler überhaupt dazu zu bringen, ihr Wahl recht zu nutzen. Die Wahlbeteiligung bei der letzten Nationalrats

Was ist aus Ihrer Sicht das bemerkenswerteste an die sem Wahlkampf? Jenny: Zwei Parteien, nämlich die Bierpartei und die KPÖ, haben die Chance, in den Na tionalrat einzuziehen. Wenn es beide schaffen würden, wäre das die bisherige Höchstzahl an Fraktionen und das würde den National rat noch einmal bunter ma chen. Ob es beide schaffen, wird sich in der Schlussphase zeigen: Wie viele Wähler wählen doch lieber strate gisch eine andere Partei? Wie stehen die Parteien zu The men, die bisher nicht auf ih rer Agenda gestanden sind? Und wie kommt das bei den Wählern an? V Nationalratswahl. Bei der Nationalratswahl am 29. September werden bundesweit neun Parteien antreten: Neben den bereits im Nationalrat vertretenen ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grünen und Neos sind das die KPÖ, BIER, Liste Petrovic und die Liste „Keine“. In Tirol sind außerdem MFG und Liste GAZA am Wahlzettel zu finden.

„Wenn es Bierpartei und KPÖ in den Nationalrat schaffen, wäre das die bisherige Höchstzahl an Fraktionen.“ Marcelo Jenny über die Vielfalt im Parlament

wahl 2019 lag immerhin bei 75,6 Prozent. Jenny: Ich rechne nicht damit, dass wir diesmal eine derart hohe Wahlbeteiligung errei chen werden. Motiviert die Zuspitzung auf „Alle gegen Blau“ nicht beide Lager? Jenny: Nur bedingt, vor allem Initiativen von unparteiischer Seite geben einen Impuls, zur Wahl zu gehen. Die Parteien per se sind nur an ihren eige

nen Wählern interessiert, mehr Wähler könnte ja auch bedeuten, dass diese den poli tischen Gegner wählen. Welche Bedeutung haben Wahlkarten mittlerweile? Jenny: Das ist ein gut etablier tes Instrument – ich rechne damit, dass die Zahl der Wahlkarten steigen wird. In sofern gehört abgeschafft, dass ein Grund angegeben werden muss, seine Stimme auf diese Weise abzugeben.

FOTO: ANDREAS FRIEDLE

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