Weekend Magazin Pinzgau 2025 KW12
LEBENSART
SHORT TALK
Im Dialog bleiben
Wie viel Platz sollten zwei Menschen, die sich lieben, der Politik einräumen? Es gibt hier kein richtig oder falsch. Für einige Paare sind politische Diskussionen be reichernd. Sie können stundenlang angeregt miteinander debattieren. Bei anderen führen unterschiedliche politische Ansichten viel leicht schnell zum Streit. Dann ist es auch völlig okay, das Thema auszusparen. Im Englischen gibt es die schöne Redewen dung „let’s agree to disagree“. Das heißt, wir können beide akzeptieren, dass wir in dieser oder jener Frage eben eine andere Sicht auf die Welt haben. Dafür gibt es im Deutschen gar keine Übersetzung, wohl weil wir hierzu lande unser Gegenüber lieber überzeugen wollen, notfalls mit Gewalt. Daran hat unsere katholische Geschichte ebenso Einfluss wie die k. u. k. Monarchie, wo die Meinungsviel falt nicht gerade als hoher Wert galt. Sinkt die Toleranz? Ja, leider. Wir empören uns zwar gerne, blei ben aber auch gerne in unserer eigenen „Meinungsbubble“. Das ist schade, denn oft lernen wir von Menschen, die anderer Auffas sung sind als wir selbst, viel mehr. Wichtig ist: Eine Beziehung darf nie zur Meinungs- diktatur werden. Jeder und jede hat ein Recht, die Welt und das Leben unterschied lich zu sehen und Dinge anders zu machen. Wenn es mal kracht: Wie kann ein Kompromiss ausschauen?
Die Politikwissenschaft sagt: Männer und Frauen ticken bei Wahlen häufig anders, nähern sich aber derzeit wieder an.
schlechtern lauern laut internatio naler Forschung vor allem in der jungen Generation. Demnach wen den sich Frauen bis 30 immer wei ter nach links, während altersglei che Männer deutlicher nach rechts tendieren. Eine Wahrnehmung, die heimische Politikwissenschaftler nicht gänzlich teilen – und diffe renziert betrachten. „Die Unter schiede in den Einstellungen ver schwinden immer mehr“, meint Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch. Dennoch würde die weibliche Wählerklientel seltener radikal rechten oder extremen Par teien ihre Stimme geben. Ein Grund sei in der Schwerpunktset zung dieser politischen Kräfte zu suchen, so der Experte. Vernachläs sigt würden Themen, die für Frau en wichtig sind: etwa Gesundheit, Bildung und Umwelt. Auch das Auftreten der Rechten wäre wenig einladend. „Hierarchisch, männer bündisch. Das signalisiert, dass Frauen in und mit solchen Parteien Bürger zweiter Klasse wären.“ Unterschiede nehmen ab Doch das „weibliche“ Wahlverhal ten scheint sich zu ändern. „Länge re Zeit war es so, dass die FPÖ stark überdurchschnittlich von jungen Männern gewählt wurde
und viel weniger von Frauen“, merkt Politikwissenschafts-Ikone Peter Filzmaier auf Anfrage an. Ak tuell stimme diese These nicht mehr – oder nur in sehr abge schwächter Form. Dass die Schere weiter auseinandergeht, kann auch Alexandra Siegl von Peter Hajek Public Opinion Strategies gegen über Weekend nicht bestätigen. „Geschlecht ist von Relevanz, wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie man meinen könnte“, meint die Expertin mit Blick auf ihre Wahl tagsbefragung 2024: Parteien, die bei den unter 30-Jährigen stärker punkten konnten, waren Bier-Par tei, Liste Petrovic und KPÖ – aber ohne ganz klaren Geschlechterun terschied. Siegl: „Bier und Petrovic konnten eher junge Frauen anspre chen, die KPÖ aber stärker junge Männer.“ Konfliktkultur Ob nun die privaten Koalitionen halten, kann die Politikwissenschaft nicht beantworten. Psychotherapeut Wolfgang Wilhelm (mehr dazu im Interview) hat zumindest eine gol dene Regel parat: „Die Beziehung wird nur klappen, wenn beide die je weils andere Meinung zumindest als andere Meinung akzeptieren kön nen – let’s agree to disagree.“ V
Wolfgang Wilhelm Psychothera peut
FOTOS: ISTOCK.COM/STOCKBUSTERS, FOTO WILKE
Made with FlippingBook - professional solution for displaying marketing and sales documents online