CHEFINFO 07_2024 September

25 Prozent geringere Endpreise erzielen Masseverwerter derzeit im Vergleich zum Vorjahr.

WIRTSCHAFT

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FOTOS: GOLDA, AURENA.AT / APA / PICTUREDESK.COM Die aktuelle Insolvenzwelle bedeutet Hochkonjunktur für die Verwerter und Verwertungsplattformen. Im ersten Halb jahr 2024 stieg die Zahl der Firmenplei ten um 26 Prozent. 3.298 Unternehmen waren betroffen, vom EPU bis zum Immo biliengiganten. Besonders hart trifft es die Baubranche und das Baunebengewerbe. Eine Branche, die Robert Golda wie seine Westentasche kennt. Golda hat derzeit alle Hände voll zu tun. Der Sachverstän dige ist einer der wenigen Massebewerter in Österreich. Bevor Exponate unter den Hammer kommen, ist er im Einsatz, um diesen im Auftrag des Masseverwal ters ein „Preisschild“ zu verpassen. „Ich komme aus dem Baumaschinenhandel E s ist Jänner 2024: Aus dem Wie ner Palais Harrach sieht man Menschen mit Signa-Fußmat ten, -Klobürsten und -Schreibtisch sesseln herausspazieren. Es kam unter dem Hammer, was unter den Hammer musste. Die bewegliche Masse des in die Pleite gerutschten Immobilienkon zerns stand zur Verwertung an. Ein Pro cedere, welches das Insolvenzgesetz vor schreibt. Signa-Schneekugeln um 991 Euro, ein Abhörschutz für Smartphones um 7.646 Euro und sogar vier Ausgaben des „profil“ mit der Titelstory namens „Buhmann Benko“ um 70 Euro waren nur einige der insgesamt 6.404 Exponate, die in 23 Auktionen unter den Hammer kamen. 107.802 Gebote wurden dafür abgegeben. Abgewickelt wurde die Mas severwertung vom Auktionshaus Aurena Group. Aurena war es auch, welche die Masse der kürzlich in die Pleite gerutsch ten traditionsreichen Pflugfabrik Regent verwertet hat. Doch nicht nur das, das Auktionshaus versteigerte auch Expo nate für den guten Zweck: ein Dirndl von Schlagerstar Melissa Naschenweng, eine Gitarre von Opus oder ein Wohnzim merkonzert von Pizzera und Jaus etwa. Die „Spezialität“ des Hauses bleibt aber die Insolvenzverwertung. Alles muss raus

Abgesehen vom tatsächlichen Zustand muss Golda dabei stets die Marktlage im Auge behalten. „Man versucht meis tens von historischen Werten auszuge hen, doch das klappt nicht immer. 2008, während der Wirtschaftskrise, lag die Transportbranche darnieder. Es kamen extrem viele Lkw und Sattelzugma schinen auf den Markt. Der Preis war dadurch im Keller. Man braucht daher immer ein Gespür für die Gesamtsi tuation.“ Dennoch bleiben die Verwer ter nur ganz selten auf den Exponaten „sitzen“. Die Verwertung betrifft Golda nicht mehr: „Mein Job ist zu 99 Prozent nach Abgabe meines Gutachtens erle digt“. Die aktuelle Insolvenzwelle zeigt aber Wirkung für die späteren Verwer ter: „2024 ist extrem. Verwerter bekom men im Schnitt 25 Prozent weniger für vergleichbare Exponate als im Vorjahr.“ „Insolvenzcluster“ Im Laufe der Jahre stieß der Sachverstän dige immer wieder auf gewisse „Insolvenz cluster“. „Als es der Holzindustrie, spezi ell den Sägewerken, schlecht ging, waren die Maschinen kaum verwertbar.“ Dazu kam vorher das „Bäckersterben“ und aktu ell „zwickt“ es auch spürbar beim Han del. „Viele große Supermarktketten kau fen nun direkt beim Hersteller ein, der Zwischenhandel fällt weg und das spürt man.“ Generell stellt er fest: „Für Unter nehmer ist es derzeit schwerer zu planen.“ Besonders hart ist die Baubranche betrof fen. „Man darf nicht vergessen, was da alles dranhängt, vom Zimmerer bis zum Ziegelhersteller, dem Erdbau oder der Ô

und war später bei einem Gebrauchtma schinenhändler tätig. Ein Bankdirektor hat mich schließlich gefragt, ob ich nicht eine Maschine – einen Leasingrückläu fer – schätzen kann.“ Das war die Initial zündung für seinen neuen Karriereweg. Heute ist der in Mondsee beheimatete Sachverständige zu 90 Prozent für Masse verwalter im Einsatz. Ein kleiner Teil sei ner Gutachten geht an Banken oder auch Privatpersonen. Waren es anfänglich vor allem Baumaschinen, schätzt der 59-Jäh rige mittlerweile Exponate aus allen erdenklichen Branchen. „Es gibt natürlich Spezialbereiche, wo man externe Gutach ter und Fachexperten hinzuziehen muss, doch die kosten Geld und der Massever walter muss auf die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens achten.“ Was kostet ein Gebrauchtjet? So schätzte Robert Golda schon einmal einen Privatjet, der bei der Insolvenz eines Bauunternehmens in der Geräte halle zwischen Baufahrzeugen und Lkw stand. „Dafür gibt es eine eigene blue list, mit der man den Wert des Fliegers ziem lich exakt bestimmen kann.“ Diese Lis ten gibt es aber nicht für alle Gerätschaf ten. „Bei Baumaschinen gab es einmal den Versuch, Bewertungslisten zu erstel len. Doch es kommt sehr stark auf den Einsatz an. Ein Radlader in der Papier industrie, der Hackschnitzel bewegt, ist

Im Zuge der Signa-Pleite kamen 6.404 Exponate in 23 Auktionen unter den Hammer, von Zigarren bis zu Schnee kugeln und Klobürsten.

anders zu bewerten als einer im harten Umfeld des Tunnel baus. Da geht es viel um den Verschleiß.“ Bei Mobilien wie Lkw oder Pkw tut sich Golda leichter, wenngleich es auch hier zu Abwertun gen kommen kann.

Als ich vor Jahren begann, vor sichtig bei Masseverwaltern nach zufragen, ob sie mein Know-how benötigen würden, meinte der Erste: Sie schickt der Himmel.

INSOLVENZBEWERTUNGEN. Die Insolvenzwelle rollt. Um den Wert der Masse festzustellen, braucht es Spezialisten wie Robert Golda. Als einer der wenigen Experten seiner Art in Österreich gewährt er einen Blick hinter die Kulissen.

Robert Golda Insolvenzbewerter

TEXT: Jürgen Philipp

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