CHEFINFO 07_2024 September

Was

D er Fachkräftemangel verlangt dem Stammpersonal einiges ab. Sie müssen sich rascher anpas sen, an fluide Organisationsstrukturen gewöhnen und ihr Wissen bei den The men Nachhaltigkeit und KI ausbauen. Die Bereitschaft der Mitarbeiter zur Weiter qualifizierung ist da – und zwar auf allen Ebenen. Das erhob die Bertelsmann Stif tung in ihrer 2024 erschienenen Studie: „Mehr Weiterbildung für alle – Fachkräf tesicherung durch Bildungszeit“. 3.600 Erwerbstätige zwischen 30 und 59 wur den befragt. Von Bildungs- oder Qualifi zierungsmüdigkeit ist nichts zu merken. Im Gegenteil: 31,1 Prozent der Helfer bzw. Menschen mit Anlerntätigkeiten haben den Wunsch, sich weiterzuentwickeln, aber für nur 2,7 Prozent gibt es einen Lernplan. Anders sieht es bei den Experten in Unter nehmen aus: 25,8 Prozent äußern einen Weiterbildungswunsch, dem für 10,8 Pro zent auch per Lernplan entsprochen wird. Hohe Bereitschaft Dazu kommen Faktoren, die Weiterbil dung verhindern. So geben 38,9 Prozent der Experten an, keine Zeit zu haben, Hel fer nur 24,4 Prozent, diese wiederum wür den zu 50 Prozent zu wenig Informationen über Fortbildungsangebote bekommen, bei Experten liegt dieser Wert bei nur 19,7 schaft dafür ist da, auch die technischen Voraus setzungen. Wie es Unter nehmen gelingen kann, modernes Corporate Lear ning zu implementieren. TEXT: Jürgen Philipp CORPORATE LEARNING. Mitarbeiterqualifizierung wird zur Überlebensfrage. Die Bereitschaft der Beleg UNTER NEHMEN unternehmen müssen

Gregor Kremsmüller sieht sein Unterneh men wie eine riesige Patchworkfamilie. Da sind kommunikative Skills gefragt. „Wir sind ein People Business“

FÜHRUNGSKRÄFTE. Der Anlagenerrichter Kremsmüller braucht nicht nur fachliche Kompetenz, sondern Führungskräfte, die das große Ganze im Auge haben. Ein maßge schneidertes Schulungsprogramm gibt ihnen die passenden Werkzeuge in die Hand.

Digitales „Micro Learning“ in Eigenverantwortung wird den Präsenzunterricht nicht ersetzen, denn Identifikationsarbeit wird in heterogenen Organisationen wichtiger.

E s ist ein „People Business“, so definiert Gregor Kremsmüller, Geschäftsführer von Kremsmül ler mit Sitz in Steinhaus bei Wels, das Geschäftsmodell des Unternehmens. „Wir sehen uns weder als Anlagenbauer noch als Techkonzern, sondern als Anlagen errichter. Unser Schwerpunkt liegt dar auf, mit unserer eigenen Fachkompetenz Dinge zu bauen, die der Kunde von uns braucht.“ Die Dienstleistungspalette ist breit, von der Mess- und Regeltechnik, dem Apparate- und Behälterbau bis zum Rohrleitungsbau. Im Brennpunkt stehen die Obermonteure und Vorarbeiter, die mit ihren flexiblen Teams die Wünsche der Kunden vor Ort umsetzen. Führungs kräfte sollten laufend geschult werden, weil sich deren Settings ständig ändern. „Wir haben schnelle kleine Teams die einen akuten Reparaturauftrag abarbeiten müssen, aber auch Teams mit 150 Leuten, die langfristig geplante Projekte umsetzen.“ Das große Ganze im Blick Gemeinsam mit dem WIFI Fir men Intern Training werden diese Führungskräfte mit dem

Danner. „Zum einen schulen wir alle Füh rungskräfte, die auf der Baustelle vor Ort zum Einsatz kommen, zum anderen die Bau- und Projektleiter auf administrati ver Ebene. Ziel ist es, dass alle dieselbe Sprache sprechen.“ Rasch zeigte sich der Erfolg der Schulungen. „Das Verständ nis füreinander ist gestiegen. Die einzel nen Führungskräfte lernten sich besser kennen und haben nun den Blick auf das große Ganze.“ Dieselbe Sprache zu spre chen ist nicht nur metaphorisch gemeint. Gregor Kremsmüller führt ein multina tionales Team mit 1.700 Fachkräften. Er bringt ein Beispiel: „Wir hatten eine Bau stelle am Hintertuxer Gletscher auf über 3.000 Metern. Sechs unserer Leute waren im Einsatz: zwei Ungarn, ein Brasilianer, ein Aserbeidschaner, ein Spanier und ein Deutscher. Da braucht es viel Kompetenz in nonverbaler Führung. Die Kommunika tion funktionierte perfekt, weil unsere Obermonteure und Vorarbeiter echte

maßnahmen mit dem WIFI FIT. „Viele waren es gewohnt, aus dem Bauch her aus zu führen, jetzt können sie sich auf erlernte Tools verlassen.“ Tools, die in vier Modulen vermittelt werden. Danner: „Sie lernen sich als Person und Führungskraft besser kennen, lernen, mit Zeit und Druck umzugehen, und werden kommunikativ geschult.“ Dazu werden Werkzeuge zum Teambuilding vermittelt und wie man mit persönlichen und technischen Ressourcen richtig umgeht. Mit zahlreichen Fallbei spielen und dem Üben konkreter Situa tionen wurden die neuen Kompetenzen gefestigt. Nach jedem Durchgang gab es ein Kamingespräch mit der Geschäfts führung. „Dabei poppten Themen auf, die wir nicht am Radar hatten. Themen, die direkt am Ort der Wertschöpfung entste hen.“ Das brachte zentrale Erkenntnisse die sich nicht nur in der täglichen Arbeit auswirken, sondern einen Effekt auf das gesamte Unternehmen haben.

sich auch außerhalb der Arbeitszeit weiter zubilden und die eigene Bildungsbiografie fortzuschreiben.“ Dieses Prinzip Eigenver antwortung könnte 24/7 digital abgedeckt werden. Tiefergehende Weiterbildung oder die – gerade in (remoten) Matrixorganisa tionen – hochnotwendigen Teambuilding maßnahmen bleiben im Präsenzmodus. Dazu kommen heterogene Unternehmens kulturen: Generationenthemen, kulturel le Themen und Sprachbarrieren fordern mehr denn je Identifikationsarbeit. Selbstorganisation Digitale Schulungen mit selbst organisier tem Zeitbudget werden und können daher klassische Formen nicht ersetzen. Es wer den sich nur Schwerpunkt und Inhalt ver lagern. Diese Form des „Micro-Learnings“ kann mit Gamification neue Lernanrei ze schaffen, Lernziele können in Echtzeit abgetestet werden. Abgesehen von Inhal ten und Zielen ist und bleibt aber die Füh rungskraft bzw. das Management der ent scheidende Treiber bzw. Verhinderer von Schulungsmaßnahmen. Die Angst, dass man aufqualifizierte Mitarbeiter an ande re Unternehmen verliere, sei aber unbe gründet, meinen HR-Experten unisono. Qualifizierung und der Zugang zu Wei terbildungsmaßnahmen sei sogar eine der wichtigsten Personalbindungsstrategien. n

Prozent. Die größte Kluft zeigt sich bei der Bereitschaft der Unternehmen, Mit arbeiter für Schulungen freizustellen. 72,6 Prozent der Helfer bekommen kein Ange bot zur Freistellung, dem gegenüber stehen nur 27,2 Prozent der Experten. „Wir dür fen nicht diejenigen benachteiligen, deren Jobs durch den Strukturwandel auf der Kippe stehen. Gleichzeitig ist es wichtig, Neuorientierung zu ermöglichen, damit die Veränderungen als Chance verstanden werden“, meint Luisa Kunze, Arbeitsmarkt expertin der Bertelsmann Stiftung. Kulturarbeit Der deutsche „Bundesverband der Personalmanager*innen (BPM)“ stellt in einer seinen acht HR-Thesen 2024 auch die betriebliche Weiterbildung in den Mit telpunkt (These 4). Der Bereich wurde von einer Revolution erfasst. Waren es einst lange vorher geplante Präsenzseminare in Bildungshäusern könne man nun digitales 24/7-Echzeitlernen anbieten. Fraglich – so der BPM – sei, „ob der Ausbau neuer Bil dungsangebote mit dem Tempo des Wan dels mithält. Wir sehen die Unternehmen und Organisationen in der Verantwortung, zeitgemäße Lernformen und -inhalte zu implementieren.“ Weiters fordert der BPM die Eigenverantwortung der Mitarbeiter ein. „Das heißt für uns auch: Bereitschaft,

Empathiekünstler sind.“ Empathiekünstler

Diese Empathie, das Verständnis füreinander und der Gesamtüber blick stiegen durch die Schulungs

KONTAKT Günter Znidersic www.wifi-fit.at

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richtigen Rüstzeug ausge stattet. „Wir arbeiten auf zwei Ebenen“, schil dert Trainer Hermann

Gregor Kremsmüller Geschäftsführer Kremsmüller

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